Am 30. und 31. Mai 1968 besuchte Megastar Jimi Hendrix die Schweiz und heizte den Fans im Zürcher Hallenstadion ein.
Das "Monsterkonzert" ging in die Geschichte ein.
Das Empfangskomitee am 30. Mai 1968 am Flughafen Zürich-Kloten bestand aus 300 Fans und einem Wasserwerfer. Erstere kamen nicht auf ihre Kosten, Letzterer nicht zum Einsatz, denn die Musiker – John Mayall’s Bluesbreakers, Traffic, The Move und Eric Burdons NewAnimals – wurden von den Ordnungshütern durch den Hinterausgang vom Gelände geschafft. Bloss kein Aufsehen.
Der grösste Star des Line-ups, das für den 30. und 31. Mai im Zürcher Hallenstadion angekündigt war, kurierte zu diesem Zeitpunkt im Hotel Stoller seinen Jetlag aus: Jimi Hendrix war am frühen Morgen aus New York angereist. Die Ehre, den Wundergitarristen vom Flughafen abzuholen, wurde dem Musiker Walty Anselmo zuteil, der mit seiner Formation Anselmo Trend die Musik-Abende eröffnen durfte.
Hans-Ruedi Jaggi, der das «Monsterkonzert» im Alleingang stemmte, war auch ohne diesen Taxi-Dienst ausgelastet. Der damals 27-jährige Veranstalter musste einen Spiessrutenlauf absolvieren. Dass sich die Behörden wenig kooperativ zeigten, lag an der Erfahrung mit dem Zürcher Gastspiel der Rolling Stones im April 1967.
Beim ebenfalls von Jaggi veranstalteten Konzert kam es zu Sachschaden. Aussagekräftig ist ein Satz, mit dem sich ein Mitglied der Stadtpolizei Zürich zum geplanten Sicherheitsdispositiv zitieren liess: «Im Krieg sagt man ja auch nicht, wie gross das Heer ist, das ausrückt.»
Der Basler Gitarrist Marcel Aeby, der sich mit seiner Hendrix-Coverband «More Experience» einen Namen gemacht hat, drückte damals noch die Schulbank. In Sachen Hendrix und Monsterkonzert hat er aber inzwischen seine Hausaufgaben gemacht.
Auf seinen Internetseiten zum «Monsterkonzert» hat der heute 61-Jährige zusammengetragen, was er auftreiben konnte: Poster, Augenzeugenberichte, Setlisten und Bootleg-Aufnahmen, ein Konzertplakat, ein Hendrix-Autogramm, unveröffentlichte Fotos aus dem Ringier-Archiv. Noch heute bekomme er regelmässig Material zugesendet – zurzeit, in den Wochen vor dem Jubiläum, wieder gehäuft.
Hört man Marcel Aeby bei seinen Schilderungen zu, so hat man das Gefühl, er habe die Konzerte miterlebt – so viele Aufnahmen hat er gesichtet und verinnerlicht: «Jimi und seine Jungs waren in Bestform», urteilt Aeby. Schlagzeuger Mitch Mitchell erntete für sein Solo in «Tax Free» Spontanapplaus, und das Schweizer Publikum kam in den Genuss von zwei Besonderheiten: «Am Freitagabend spielte Jimi die wahrscheinlich längste je aufgezeichnete Version von «Red House» und mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit die Uraufführung von «Voodoo Child (Slight Return)».
Abseits der Bühne wurde Hendrix aber schlecht behandelt. Ein sittenbewusster Portier liess eine junge Frau aus dem Zimmer des Rockstars entfernen. Und vom Türsteher des «Crazy Girl» an der Zwinglistrasse wurde ihm der Zutritt zur eigenen Afterparty verwehrt – der dunklen Hautfarbe wegen.
Der Jahrhundertmusiker trug es mit Fassung, liess sich zu einer Tankstelle chauffieren, wo er in Ermangelung anderer warmer Speisen ein frittiertes Schnitzel aus einem Automaten ass, ehe er sich mit einem stattlichen Trinkgeld beim Taxifahrer bedankte.
Unruhiger verlief die Freitagnacht für einige der Fans. War das Konzert am Donnerstag noch ohne Komplikationen über die Bühne gegangen, wie die Presse notierte, so kam es am zweiten Konzerttag zu Zwischenfällen.
Im Hallenstadion gingen nach Hendrix’ Set ein paar Dutzend Stühle zu Bruch, und draussen wärmten sich eine Handvoll Besucher an einem Lagerfeuer. Dies veranlasste die mit 160 Mann angerückte Polizei, gegen den friedlichen Fan-Umzug vorzugehen, der von Oerlikon zum Hauptbahnhof aufgebrochen war.
Knüppel und Hunde sollen zum Einsatz gekommen sein. Marcel Aeby beschreibt die Aktion als «massiv überdimensioniert und keineswegs gerechtfertigt». Dieser Meinung waren auch die Tageszeitungen, die noch im Vorfeld des «Monsterkonzerts» eher mit den Behörden als mit den Jugendlichen sympathisiert hatten. Dass sich die Presse nun so deutlich auf die Seite der Jungen stellte, hatte wohl damit zu tun, dass unter den Opfern der Polizeigewalt verhältnismässig viele Journalisten und Fotografen waren.
Für Veranstalter Hans-Ruedi Jaggi hatten die Unruhen ein Nachspiel, wenn auch nur ein kurzes: Er wurde wegen Anstiftung zum Landfriedensbruch vor Gericht zitiert, wenig später aber freigesprochen. Finanziell hatte sich das «Monsterkonzert» für den Jungveranstalter, der bereits im Ferrari durch Zürich kurvte, gelohnt: Rund 15 000 der elf Franken teuren Tickets hatte er abgesetzt. Sein Reingewinn aus den zwei Konzertabenden soll sich auf stolze 100 000 Franken belaufen haben.
Die Abreise von Hendrix und Co. ging noch unauffälliger über die Bühne als die Ankunft zwei Tage zuvor. Doch fortan war die Schweiz eine andere: Vier Wochen nach dem «Monsterkonzert» fanden in Zürich die Globus-Krawalle statt. Die Revolution war in der Schweiz angekommen.
Quelle:aargauerzeitung.ch/kultur/
"Monsterkonzert" in der Schweiz mit Jimi Hendrix jährt sich zum 50. Mal
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"Monsterkonzert" in der Schweiz mit Jimi Hendrix jährt sich zum 50. Mal
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